Das „Familie Harf Haus“ an der Südpromenade 31 ist ein Haus mit langer Geschichte und vielfältigen Nutzungen in den letzten Jahrzehnten. Sein Name erinnert an die jüdische Familie, die es 1908 erbaut hat und die teilweise zu Opfern des Nazi-Regimes wurde. Im Zuge des letzten Umbaus ging die Gedenktafel verloren, die seit 2015 angebracht war. Nun gibt es ein neues Schild, das gemeinsam mit dem Heimatverein der Erkelenzer Lande und dem „Team Gedenken“ der Gemeinschaftshauptschule sowie Vertretungen der Kita Südpromenade in würdigem Rahmen enthüllt wurde.
1908 wurde das Haus vom jüdischen Viehhändler Sigmund Harf erbaut. Seitdem war es unter anderem Standort für das Jobcenter und wurde als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Nach umfassenden Umbauten beherbergt es seit 2020 die Kita Südpromenade.
Sigmund Harf wurde 1919 als erster Jude in den Stadtrat gewählt und starb 1928. Seine vierköpfige Familie bewohnte das Haus bis 1941. Seine Frau Emma und sein Sohn Ernst konnten der Schoa entkommen. An das Schicksal seiner Söhne Heinrich und Alfred erinnern die Stolpersteine auf dem Gehweg. Der Kaufmann Alfred Harf musste im Hetzerather „Judenhaus“ eine Wohnung beziehen. Am 22. März 1942 wurde er nach Izbica deportiert. Wenige Tage später, am 3. April 1942, wurde er in dem nahegelegenen Konzentrationslager Majdanek ermordet. Sein Bruder Heinrich Harf wurde 1939 in Hamburg unter dem Vorwurf der „Homosexualität“ zeitweilig verhaftet. Er floh nach Belgien. Dort wurde er während der Besatzung im Zweiten Weltkrieg verhaftet und in das Polizeihaftlager Breendonk südlich von Antwerpen eingewiesen, wo er 1941 starb.
Ein Ratsbeschluss sorgte dafür, dass seit 2015 ein Schild am Gebäude auf das “Harf Haus“ und damit das Schicksal der Familie hinwies. Im Zuge des Umbaus zur Kita war diese Gedenktafel jedoch spurlos verschwunden.
Gemeinsam mit Vertretungen des Heimatvereins, der Gemeinschaftshauptschule und der Kita Südpromenade enthüllte Bürgermeister Stephan Muckel nun ein neues Schild und bedankte sich bei allen, die die Erinnerung in Erkelenz lebendig halten. Hubert Rütten vom Heimatverein der Erkelenzer Lande hatte sich dafür engagiert, dass das Schild ersetzt wird. Willi Wortmann hat das neue Schild gestaltet. Anja Reif und Stefan Frings aus dem Kollegium der Gemeinschaftshauptschule haben mit Schüler*innen der Klasse 9b die Silhouetten der Brüder Ernst und Alfred Harf mit Kreidefarbe auf den Boden gesprüht und den Lebenslauf der Familie vorgetragen, um „Geschichte ein Gesicht zu geben“. Die Schüler*innen waren kurz zuvor in Auschwitz und besonders sensibel für das Thema. Obwohl die sehr jungen Kinder der Kita Südpromenade die Hintergründe noch nicht verstehen können, wollte auch Kita-Leitung Eva Jabs einen Beitrag zur Enthüllung des Schildes leisten und gestaltete mit den Kindern ein Tuch zur Verhüllung.
Gedenkveranstaltung anlässlich Reichspogromnacht
Auch im Familie Harf Haus wurden im Rahmen der November-Pogrome 1938 die Scheiben eingeworfen. Die jährliche Gedenkfeier anlässlich dieser schrecklichen Ereignisse findet am 9. November statt und wird gemeinsam von allen weiterführenden Schulen, den beiden Kirchengemeinden und weiteren Beteiligten gestaltet. Sie startet um 15.30 Uhr auf dem Franziskanerplatz, führt vorbei an mehreren Stationen jüdischen Lebens in Erkelenz und endet vor dem jüdischen Friedhof an der Neusser Straße.
Verfallszeitpunkt: 28. November 2024